Seit Jahrzehnten gehört die Feintäschner-Werkstatt am Berufsbildungswerk München zu den Geheimtipps: Wann immer eine exklusive Handtasche oder ein geschmackvoller Gürtel benötigt wird, war Harald Fischer mit seinen Azubis die erste Anlaufstelle. Ob Reparatur oder Neuanfertigung: Auf eine fundierte Beratung und hochwertige Handarbeit, garniert mit charmantem Service durfte sich jeder Kunde freuen.
Aber die Zeit macht auch vor den Feintäschnern nicht halt: Der langjährige Ausbilder und Feintäschner-Meister Harald Fischer ging Anfang 2023 in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Den beliebten Ausbildungsbetrieb jedoch aufzugeben, war keine Option. Und tatsächlich konnte das BBW mit Matthias Wiesheu einen jungen, aber erfahrenen Nachfolger gewinnen. 2008 fand der gelernte Biotechniker seinen Weg zur Feintäschnerei, 2015 machte er sein Hobby zum Beruf. Spezialisiert hat er sich auf die althergebrachte Technik der Federkielstickerei. Besonders Trachtler dürften spätestens jetzt hellhörig geworden sein: Auf Lederhosen und den zugehörigen Hosenträgern sind die diffizilen Verzierungen oft zu finden. Diese Arbeitstechnik an die jungen Azubis im BBW weiterzugeben, hat sich Matthias Wiesheu fest vorgenommen.
Der „Neue“ kommt mit einigen frischen Ideen im Gepäck. Aber alles über den Haufen werfen will Matthias Wiesheu nicht: „Das Feintäschner-Handwerk ist ein Beruf mit viel Tradition. Die bekannten Handwerkstechniken – Schneiden, Nähen und Kleben – sind die Grundlage für diesen Beruf. Aber die Feintäschner sind auch immer mit der Zeit gegangen.“ Deshalb spielen vor allem zwei Aspekte eine Rolle in den Überlegungen: Neue Materialien und eine Erweiterung der Produktpalette.
Ein Beispiel für neue Arbeitsmaterialien: Früher wurde zur Verstärkung etwa von Handtaschen gepresstes Leder genutzt. Heute verwenden die Feintäschner dafür Texon, das aus Pflanzenfasern besteht und schnell nachwächst. „So sparen wir viel vom wertvollen Rohstoff Leder bei gleichbleibender Qualität. Und wir schonen die Umwelt durch die nachhaltige Alternative.“ Daneben will Wiesheu die Arbeit mit Filz und Kork ausbauen – beides sind Materialien, die sich gut mit Leder verbinden oder als eigenständigen Werkstoff nutzen lassen.
Filz ist die Basis für eines der neuen Produkte der Feintäschner: Ganz frisch gibt es die Bierbankrutscherl – bunte Sitzpolster für die Bierbank mit praktischem Tragegriff: Die optimale Ausstattung für Wiesn-Besuche an kühleren Tagen. Die Bierbankrutscherl sind ein echter Verkaufsschlager. Gerade jetzt zur Volksfestzeit gehen bei den Feintäschnern zahlreiche Bestellungen ein.
Unabhängig von Material und Produkt: Der Beruf des Feintäschners hat in den Augen von Matthias Wiesheu Zukunft. Denn die ausgebildeten Techniken eröffnen den Azubis viele Möglichkeiten nach dem Abschluss der Ausbildung. Vom Sattler bis zur Raumausstatterin – die Palette an Chancen ist groß. Und das Beste an diesem Handwerk: „Der Beruf ist sehr erfüllend. Man geht einer schöpferischen Tätigkeit nach und findet seine Persönlichkeit in seinen Werkstücken wieder. Man sieht was man mit den eigenen Händen geschaffen hat – und das bringt eine enorme Zufriedenheit mit sich.“
Eine Zufriedenheit, von der die Kunden der Feintäschnerei auch in den nächsten Jahren profitieren werden.